Thementage

Stalag VI A Thementag – Erinnern, Gedenken, Begreifen

Thementag zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Folgen von Krieg, Gewalt, Flucht, Vertreibung, Terror und Faschismus

 

Sachaspekt: Das Hemeraner Kriegsgefangenenlager Stalag VI A

Am 14. April 1945 befreiten US-amerikanische Soldaten das im Nazijargon „Mannschaftsstammlager“ (Stalag VI A) genannte Hemeraner Kriegsgefangenenlager. Das im damaligen Reichswehrbezirk VI A gelegene Lager war eines der größten Lager im damaligen „Dritten Reich“. Bis zu 200.000 Gefangene wurden z.T. von hier aus „verwaltet“.  Davon waren 160.000 sowjetische Soldaten inhaftiert. Von hier aus wurden Arbeitseinsatzkommandos in das gesamte Ruhgebiet und märkische Sauerland organisiert. Viele Kriegsgefangene in den Außenarbeitskommandos wurden vor Ort an ihren Einsatzstätten untergebracht, so dass nicht alle in Hemer gemeldeten Kriegsgefangenen auch dort einquartiert waren. Das ursprünglich für bis zu 3.000 Häftlinge ausgelegte Lager überschritt ab 1943 diese Zahl bei weitem (ca. 23.000 Häftlinge), was zu katastrophalen Verhältnissen im Lager führte. Viele der Inhaftierten starben an Krankheiten wie Tuberkulose oder an Hunger und Ausgezehrtheit. Ca. 20.000 tote – meist sowjetische – Kriegsgefangene wurden im nahe gelegenen Waldstück „Duloh“ in einem Massengrab verscharrt.

 

Didaktische Erwägungen

Die Stadt Hemer erlangte in der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund der Geschichte des Stalag VI A, das später zu einer Kaserne und nach der Konversion im Jahr 2007 zu städtischem Gelände für den Park der Landesgartenschau 2010 umfunktioniert wurde, eine traurige Bedeutung. Diese Tatsache erfordert eine Auseinandersetzung mit der in diesem Zusammenhang stehenden  Thematik auf vielen Ebenen. Die Gesamtschule Hemer als ortsansässige weiterführende Schule in städtischer Trägerschaft fühlt sich diesem Sachverhalt verpflichtet und widmet jährlich am 14. April einen ganzen Tag dieser Thematik. Zwei Zielsetzungen sollen durch die (synergetische) Auseinandersetzung erreicht werden:

  1. Die Schülerinnen und Schüler sollen auf kognitiver Ebene mit der Geschichte des Lagers vertraut sein. Sie sollen exemplarisch anhand der Analyse der menschenverachtenden und –unwürdigen Lagerbedingungen und – verhältnisse das nationalsozialistische Menschenbild und die Rassenideologie als zentrales Merkmal des damaligen „NS –  Unrechtsstaates“  deuten, Entstehensbedingungen kennenlernen und diese auf gegenwärtige Situationen sinnstiftend transferieren.

  2. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich darüber hinaus mit den Folgen von Gewalt, Krieg, Ausgrenzung und Faschismus auseinandersetzen. Auch hierbei sollten auf Metaebene  aus einem gegenwärtigen Aspekt heraus aktuelle gesellschaftliche Problemfelder vor dem oben genannten Hintergrund analysiert, diskutiert und handlungsorientiert bewertet werden.

 

Fachliche-organisatorische Erwägungen

Aufgrund des historischen Themengebiets ist der Thementag an das Fach Gesellschaftslehre gekoppelt. Für jeden Jahrgang gibt es ein übergeordnetes Thema zur inhaltlichen Problematisierung. Die GL-Fachkonferenz bestimmt in jedem Schuljahr, wer aus dem Jahrgangsteam diesen Thementag  organisatorisch vorbereitet. Die Durchführung erfolgt vom Klassenlehrerteam bzw. mit Unterstützung der GL-Fachlehrerinnen und –lehrer. Für jeden Jahrgang sind obligatorische Lerninhalte und Materialien vorgesehen:

 

Jahrgang 5:    „Missbraucht und benutzt“ – Die Verletzung von Kinderrechten hier und  in der Welt

Material:          Dokumentations- und Informationsmaterial von Menschenrechtsorganisationen wie z.B. UNICEF, terre des hommes, amnesty international etc. (oder auch Dokumentationsfilme)

Dokumente über Lebensläufe von Kindern in benachteiligten Situationen (Materialhefte von Menschenrechtsorganisationen)

Lerninhalte:       anhand des Materials können z.B. Einzelschicksale von Kindern, die menschenrechtsverletzend missbraucht und benutzt werden mit Hilfe von Steckbriefen analysiert werden. Der Thementag sollte projekt- und handlungsorientiert gestaltet werden, so dass sich die Schülerinnen und Schüler im Rahmen von Aktionen und Projekten in die Lage benachteiligter Kinder hineinversetzen können.  

Am Ende des Thementages könnte z.B. eine Sammelaktion (Sponsorenlauf o.ä.) von Spenden für caritative Organisationen, die sich um den Schutz von Kindern bemühen, stattfinden.

Kooperation:     UNICEF, Terre des Hommes, Senait Mehari (ehemalige Kindersoldatin aus Eritrea, die jetzt in Deutschland lebt und Jugendlichen von ihren Erfahrungen als Kindersoldatin berichtet)

Organisation:    Der Thementag wird durch die im Lehrplan vorgesehene Reihe „Kinder der Welt“ inhaltlich vorbereitet.

 

Jahrgang 6:    „Was Menschen Menschen antun können…“ – Das Stalag VI A

Material:          Film: „Das Massengrab im Sauerland“; “Das Stalag VI A”

(WDR- und LWL-Dokumentation über das Hemeraner Kriegsgefangenenlager)

Bild- und Textquellen aus dem Stalag

Lerninhalte:      Kinder und Jugend im Nationalsozialismus

                       Rassenideologie und Menschenbild im Nationalsozialismus

Anhand von Portraits inhaftierter Gefangener können die Schülerinnen und Schüler Einzelschicksale analysieren.

Kooperation:     Verein für Hemeraner Zeitgeschichte, Hans-H. Stopsack

Organisation:    1. Unterrichtseinheit: Inhaltliche Erarbeitung der Thematik anhand von Quellen und Bildmaterial (1.-2. Stunde)

2. Unterrichtseinheit: Besuch außerschulischer Lernorte und Aufteilung des Jahrgangs in 8 Kleingruppen á 15 Schülerinnen und Schüler (4.-6. Stunde):

Im Wechsel besuchen jeweils vier Kleingruppen das Massengrab im Waldgebiet „Duloh“ und den „Gedenk- und Informationsraum des Stalag VI A“ auf dem Gelände der Landesgartenschau.

 

Jahrgang 7:    „Gewalt ist keine Lösung“ –  Mobbing und gewaltsame Übergriffe in der Schule

Material:           Film: „Nicht wegsehen – Was tun bei Mobbing?“; “Mobbing 2.0 – außer Kontrolle”

                       Lerninhalte:       Die Schülerinnen und Schüler sollen durch eine ganztägige Beschäftigung mit dem Thema Mobbing und Gewalt weiter für ein respektvolles Umgehen miteinander sensibilisiert werden.

Kooperation:     ggf. außerschulische Partner, die zum Thema jugendliche Gewaltprävention arbeiten

Organisation:    Thematischer Einstieg zur Hinführung zum Thema: Traumteamerfahrung – Entwicklung von Kriterien für eine funktionierende Gemeinschaft

Zur anschließenden Problematisierung wird der Film vorgeführt und Fragen geklärt.

Danach folgt die Entwicklung und Besprechung eines Rollenspiels zum Film mit abschließendem Rückblick und Bewertung des Thementages.

 

Jahrgang 8:     Die Welle – Das Experiment zum Nachempfinden faschistischer Strukturen

Material:           „Die Welle“ (Film)

Lerninhalte:       Die Schülerinnen und Schüler sollen anhand des Spielfilms die handelnden Charakteren beschreiben und deuten können. Ausgehend von Beobachtungsaufgaben während des Films können sie anschließend in Gruppenarbeit Anstöße zu einem Plenumsgespräch entwickeln. In diesem Stuhlkreis sollen abschließend die Verhaltensweisen der Antagonisten beurteilt und die historische Situation in diesem Zusammenhanf verdeutlicht werden.

Kooperation:          

Organisation:    Thematische Einführung (30 Minuten) Erläuterung der Beobachtungsaufgaben und sequenzielle Vorführung des Films (ca. 2 Stunden) Vorstellen der Gruppenergebnisse zur Charakterisierung der Antagonisten und Erarbeitung von Fragen für das Plenum

Plenum: Vorstellen der Ergebnisse und Diskussion, Beurteilung des Verhaltens und Verdeutlichen des historischen Kontextes

Jahrgang 9:     Wie Menschen Faschismus erlebten – Das Leben der Juden in Hemer

Material:           „Hitlerjunge Salomon“ (Film), oder

alternativ: Oral History – Befragung eines Zeitzeugen (z.B. anhand eines Dokumentationsfilms über Charly Kipper, Iserlohn)

Lerninhalte:       Die Schülerinnen und Schüler sollen anhand des Spielfilms oder der Augenzeugenberichte über die Gräueltaten der Nationalsozialisten aus erster Hand erfahren und nacherleben.

Kooperation:     mit evtl. noch lebenden Zeitzeugen,

Autoreninterview „Juden in Hemer – Spuren ihres Lebens“

Organisation:     Thematische Einführung (120 Minuten)

Entwicklung von Leitfragen und Beobachtungsaufgaben zum Film oder alternativ Diskussionsbeiträge für die Schülerinnen und Schüler für den Augenzeugenbericht entwickeln.

Plenum: Alle SuS des Jg. 9 treffen sich in der Aula zum Gespräch mit dem Zeitzeugen.

Jahrgang 10:    Widerstand im Nationalsozialismus